[530] Rohrpostanlagen. Teilweise in Abänderung der in Bd. 7, S. 485, und im Ergbd. I gegebenen Darstellungen sei hervorgehoben, daß neuerdings vielfach nahtlose Stahlrohre des Mannesmannschen Fabrikates im äußeren Leitungsnetze der Stadtrohrposten Verwendung fanden, in München z.B. mit Preßringen sowie mit zentrierten Vordringen (ohne Durchlochungen) zur Rohrverbindung (65 mm bejutete Stahlrohre von 3 mm Wandstärke, 57 m Baulänge; 4,9 kg Gewicht pro laufenden Meter; 50 Atm. Probedruck; wegen Flanschverbindung s. Fig. 1; Verlegungstiefe in München maximal 1 m unter Pflasteroberfläche). Den ursprünglich dem Kreislaufsystem anhaftenden Mängeln, insbesondere der Wasserabscheidungsgefahr, wurde bei neueren Anlagen wirksam durch Anordnung von ergiebigen Kühleinrichtungen für die Förderluft begegnet. Wenn die atmosphärische Luft in den Pumpen komprimiert wird, so vergrößert sich ihr spezifischer Feuchtigkeitsgehalt, entsprechend der in Betracht kommenden Verdichtungsstärke. Nachdem nun die Temperatur[530] der Fahrrohre (und etwaiger Außenluftleitungsverbindungen) im Erdboden mein wesentlich geringer ist als der, selbst bei den bestgekühlten Pumpen, an diesen erreichbare Druckluftwärmegrad, außerdem mit zunehmender Expansion weitere Luftabkühlungen eintreten, so muß die komprimierte Förderluft, insoweit nicht regelmäßiger Wendebetrieb auf kurzen Fahrstrecken in Betracht kommt, stets einem Trocknungsprozeß durch Entfeuchtungseinrichtungen der Kraftstationen unterworfen werden, ehe sie in den Luftbehälter bezw. in die Fahrrohre oder Außenspeiseleitungen gelangt. Aehnlich sind die Kondensationsverhältnisse in den Außenleitungen für die Nachlust (freie Atmosphäre) beim Vakuumbetrieb zu beurteilen. In das für die Druckluftströmungen in Betracht kommende Liniennetz schaltete man zuweilen sogenannte Entwässerungsapparate in entsprechenden Abständen ein (Ablaufschächte in Entfernungen von 500 bis 1000 m) teils in Ergänzung, teils statt der Trocknungsanlagen in Kraftstationen; im allgemeinen ist die Anordnung von Außentrocknern nur ein Notbehelf.
Bei den neueren Lufttrocknungseinrichtungen der Rohrpostpraxis wird grundsätzlich der Wärmegrad der Druckluft in den Kraftstationen so weit herabgemindert, daß sich hier von dem in der Förderluft enthaltenen Wasser bis zur Unschädlichkeitsgrenze alles niederschlägt, also bevor kondensationsfähiger Wasserdampf in die Luftbehälter und weiter in die Speiseleitungen bezw. in die Fahrrohre gelangt. Dabei bestimmt sich das Entfeuchtungsmaß nach dem Wasserdampfgehalt bei der höchstmöglichen Außenluftansaugetemperatur und dem gleichzeitigen Temperaturminimum der Erde sowie unter Berücksichtigung des Kompressionsgrades der Förderluft. Beim Wendebetriebsverfahren auf kurzen Linien kann man sich meist damit begnügen, wirksame Wasserluftkühler mit Glatt- oder Rippenrohren, Gegenströmungen u.s.w. in die Druckrohrleitungen zwischen den Luftpumpen und den Fahrrohren bezw. Sammlern einzuschalten. Beim Pendelverkehr auf langen Strecken oder mit unregelmäßiger Folge der Hin- und Rückfahrten sowie beim Kreislaufsystem der Stadtrohrposten sind hingegen solche, mit fließendem kalten Wasser gespeiste Apparate nur bei sehr tiefen Kühlwassertemperaturen (im Vergleiche zum Erdboden) ausreichend; bei diesbezüglichen Unzulänglichkeiten vermag man dem Hauptfeind in der Technik des Rohrpostbetriebes, dem Wasser, nur durch Kältemaschinen Herr zu werden, die in der Regel in Verbindung mit Wasserkühlern arbeiten. Im Falle der Notwendigkeit des Einbaues maschineller Kälteeinrichtungen werden hauptsächlich sogenannte Kaltdampf(Verdunstungs-) maschinen benutzt.
Ueber die bei der kurzen Verbindungsstrecke zwischen dem alten und dem neuen Telegraphenamte Berlin eingerichteten Luftumschaltesysteme zur abwechselnden Aenderung der Betriebsweise mit Saug- und Luftdruck s. Telegraphen- und Fernsprechtechnik, Berlin 1917, S. 1 (Aufsatz von Kasten). Bei der Rohrpostanlage München ([1], S. 256) wurde 1915 zum möglichsten Entwässern der Druckluft im Telegraphengebäude München eine aus drei Wassergegenstromkühlern (System Dietz, Hamburg) und aus einer Kohlensäurekältemaschine (System Linde, Wiesbaden) bestehende Kühlanlage von maximal 40000 Kal./Stde. bezw. 12500 Kal./Stde. vorgesehen; die fraglichen Einrichtungen sind nach dem Prinzip der Luftnachkühlung (Kompressionsluftentfeuchtung) gebaut und liefern einen praktisch wasser- bezw. eisfreien Rohrpostbetrieb nicht nur für die vom Telegraphenamt abzweigenden Wendebetriebsstrecken, sondern auch für die ständig mit Kompressionsluft gespeisten oder auf Dauerevakuierung geschalteten Fahrrohre des Gesamtnetzes. Die Wasserkühlsysteme entfeuchten die Kompressionsluft bis nahezu Kühlwasserzuflußtemperatur, die Kältemaschine bis zu dem allenfalls tieferen Bodenwärmegrad. Der Einbau eines kombinierten Kühlsystemes war durch die Eigenart der klimatischen Verhältnisse bedingt; es bestehen insbesondere während des Spätherbstes und der ersten Frühjahrswochen in München oft so wesentliche Abstände zwischen Boden- und Ansaugluft- bezw. Kühlwassertemperaturen (z.B. 2° C Bodentemperatur bei einer gleichzeitigen Ansaugluft- bezw. Kühlwasserwärme von 10 bezw. 8° C) und zudem so hohe Tageslufttemperaturschwankungen (z.B. 10° C), daß zum wirtschaftlichen Anpassen der Kälteleistungen an den jeweiligen Luftentfeuchtungsbedarf zusätzliche Einrichtungen zu dem als Hauptanlage des Durchschnittsbetriebes zu bezeichnenden Kühlwassersystem notwendig wurden. Durch Zusammenarbeiten dieser beiden Kühlanordnungen und zwar unter Voll- bezw. Teilbeanspruchung der Kältemaschine gemeinsam mit den Wasserkühlern oder durch den Betrieb der letzteren allein läßt sich ein Trocknen der Förderluft sowohl unter den ungünstigsten Temperaturverhältnissen als auch bei geringeren Differenzen zwischen Ansaugluft- und Bodentemperatur sparsamst erreichen.
Im heutigen Depeschen rohrpostdienste mit kleinem Fahrrohrdurchmesser (5780 mm) sind die Kolbendampfmaschinen, Lokomobile, Verbrennungskraftmaschinen und Elektromotoren, im Briefbeutelrohrpostwesen (mit 150500 mm Fahrrohren), außerdem die Dampfturbinen am meisten gebräuchlich. Vor allem kommt der Elektromotor[531] (und zwar meist als Niederspannungsmaschine) neuerdings im Rohrpostwesen für Kraftstationen bis 300 PS. nicht nur bei unterbrochener Betriebsweise sehr häufig in Betracht sondern auch für Dauerbetrieb, und zwar sowohl bei posteigenen Kraftzentralen (Stromerzeugungsanlagen), die auch für andere Zwecke nutzbar sind (Dampfheizungen, Beleuchtungen, Stromlieferungen für Telegraphen- und Telephonämter), als auch bei Stromentnahmen aus den städtischen Elektrizitätsnetzen, insoweit für diese keine zu hohen Energiepreise bestehen. Der Grund hierfür ist in den bedeutenden Allgemeinvorzügen des Elektromotors gelegen, als da sind: mäßige Anschaffungskosten, geringe Raumbeanspruchung, ruhiger und stoßfreier Gang, Wegfall jeglicher Rauch- und Rußbelästigung, unbedeutende Bedienungserfordernisse, sofortige Betriebsbereitschaft, wirtschaftliches Anpassen an Belastungsschwankungen (bei verlustlosen Tourenregulierungen) und Leichtigkeit im Drehrichtungsändern. Die Elektromotoren gestatten im Rohrpostwesen bau- und betriebsökonomisch sehr günstige Anordnungen der Kraftanlagen; insbesondere ist bei ihnen ein zweckmäßiges Unterteilen der maschinellen Einrichtungen ein und derselben Kraftzentrale oder örtlich versetzter Kraftstationen sowie die Durchführung der häufig sehr wertvollen Automatik des Maschinenein- und -ausschaltens erleichtert. (Bei anderen Kraftmaschinen als Elektromotoren sind Unterteilungen durch Einzelantriebe und Selbstschaltungen nur in beschränktem Maße erreichbar.) Auch mit Rücksicht auf die Maschinenreserven und die zwanglose Ausbaufähigkeit sind in vielen Fällen bedeutende Vorteile durch Einführen des elektrischen Betriebes geschaffen.
Einfach- oder doppeltwirkende Balgengebläse kommen nur für kleine Luftansauge- und Spannungsleistungen, vorwiegend für Hand- oder Fußbetrieb in Betracht; neuerdings auch für Elektromotorenkupplung (nur bei Innenbetriebsanlagen). Am häufigsten finden sich in der Rohrpostpraxis Zylinderkolbenkompressoren (mit geradlinig im Eisenzylinder bewegten Kolben). Sie werden stets von irgendeiner Kraftmaschine angetrieben.
Die für den pneumatischen Betrieb wichtigsten Rotationsgebläse sind jene mit zwei gleichgroßen, um parallele Horizontalachsen sich drehende Kolben, sogenannte Würgel- oder Drehkolbengebläse von Jäger, Monsky u.s.w., ferner die Wittigschen Stahlschieberkapselwerke, hauptsächlich bei Vakuumkreisbetrieben oder bei Wendebetriebsschaltungen kurzer Linien verwendbar; im Kompressionskreisbetrieb sind hierfür jedoch besondere Entölersysteme erforderlich, deren Wirkungsfähigkeit bei den vorkommenden Oel- und Luftemulsionen beschränkt ist. Auch die mit gleichgeformten Flügeln (Kapselrändern) versehenen Flügelgebläse (Rootsche Konstruktionen) finden sich oft in der Rohrpostpraxis.
Die Rotationspumpen sind nur selten für Hand- oder Fußbetrieb eingerichtet; meist werden Kraftmaschinen mit Riemenantrieb, Zahnradkettenverbindung oder Direktkupplung verwendet; letztere kommt insbesondere beim elektrischen Antrieb von Kleinpumpen (mit hohen Drehzahlen) in Betracht.
Turbokompressoren in Verbindung mit Dampfturbinen finden sich zurzeit nur bei einigen Briefbeutelrohrposten Nordamerikas.
Die Kraftwerke arbeiten bei annähernd gleichen Versorgungsweiten (rund 5 km) für die Depeschenrohrposten auf höhere Luftpressungen als bei den Briefbeuteltransportanlagen, nämlich im Mittel auf 1,52,5 Atm. abs. (Druck) sowie auf 0,50,75 Atm. abs. (Vakuum) bezw. auf 11/611/4 Atm. abs. und 3/45/6 Atm. abs. Der Beförderungsdruck (pb) für eine Rohrpostbüchse ist bei ersteren mit 300400 mm WS., bei den Briefbeutelrohrposten mit 100300 mm WS. zu veranschlagen.[532]
Was die betrieblich erforderlichen Gesamtluftpressungen einschließlich der zuletzt erwähnten Büchsentransportspannungen anbelangt, sei auf die folgenden Beispiele der Pauschalberechnungen verwiesen. Für die betrieblich im Fahrrohrnetze erforderliche Gesamtluftpressung, d.h. für die sogenannte wirksame Druckhöhe ∆p hat u.a. die Rohr- und SeilpostanlagenGesellschaft m. b. H. (Mix & Genest) bei der 1912/13 erweiterten Rohrpostanlage München die Ueberschlagsformel angewandt:
worin C = 0,0182 ist, ferner Pm = 1,5 kg/qcm bezw. = 0,75 kg/qcm im Druck- bezw. Vakuumbetrieb, L = größte Leitungslänge in Kilometern, T = (273 + t)° C für die Bodentemperatur, d = Fahrrohrdurchmesser in Metern, wm = mittlere Kompressionsbezw. Vakuumluftgeschwindigkeit = 12 m/Sek. bezw. 13 m/Sek. Diese Formel liefert zur Berechnung der Kompressoren vollständig ausreichende und durchaus wirtschaftliche Ergebnisse; Sonderberücksichtigungen der Zahl der gleichzeitig zu befördernden Rohrpostbüchsen, der Luftverluste infolge Rohrundichtheiten u.s.f. erscheinen bei jener Berechnung nicht als erforderlich. Bei den nordamerikanischen Briefbeutelrohrposten mit n gleichzeitig im Fahrrohre befindlichen Patronen von je pb = 0,01 bis 0,03 kg/qcm Büchsentransportspannung bestimmte man ∆p neuerdings aus einer, der vorstehenden Gleichung ähnlichen Beziehung:
worin bei Einführung der größten Linienlänge L in Metern, beispielsweise K = 0,001 angenommen wurde.
Die in München seit 1914 für die Fernanlage benutzten Linienanfangs- und Zwischenapparate, in Fig. 214 schematisch bezw. konstruktiv, sowie in Fig. 15 in offenem Zustande nach photographischer Aufnahme dargestellt, sind einheitlicher Bauart. Im wesentlichen besteht kein Unterschied in der Ausführung des Apparates mit Rücksicht auf den Aufstellungsort oder auf die Betriebsart, d.h. ob kontinuierliche Luftströmungen oder ob Pendelverkehr regelmäßig bezw. vorübergehend (z.B. nur im Nachtdienste) in Frage kommt. Diese Universal-(Multiplex- oder Simultan-) Apparate, von der Rohr- und Seilpostanlagen-Gesellschaft m. b. H. (Mix & Genest), Schöneberg-Berlin, geliefert, sind nach der sogenannten Einkammer-Bauart und dem Luftschleusensystem durchgebildet und grundsätzlich für Büchseneinzelversand hergestellt. (Keine Züge mit mehreren Büchsen und Treiber.) Die Apparate unterscheiden sich voneinander nur durch die Art besonderer Zusätze, d.h. je nachdem Luftschalthähne bezw. -weichen in Gebrauch treten oder nicht, also je nachdem sie bei Rohrpostämtern mit Maschinenstationen (unter Schallwechsel für die Gebläse) verwendet werden müssen, oder bei zeitweise zu überbrückenden, ohne besondere Kraftluftanschlüsse ausgerüsteten[533] Zwischenstellen arbeiten. Bei den erstangeführten Rohrpostämtern mit Maschinenstationen erhalten die Linienanfangsapparate unterhalb dem Haupthebel A (s. Fig. 2 und 3 bezw. 12) noch einen Luftwechselhebel, der in Verbindung mit der Vollachse i (eingebaut in der Hohlachse b) steht und je nach seiner Stellung rechts oder links von der Apparatmitte den Anschluß der Förderluft (Kompression bezw. Vakuum) an das Rohr N (oder F) ermöglicht. Eine beschwerte Lederscheibe U in der Kammer K verhindert bei allen Apparaten unbeabsichtigtes Ueberspringen der Büchsen von einem Fahrrohr in das andere bezw. in die Kraftanschlußleitung. In Betriebsschaltung streicht bei allen Universalgeräten die Förderluft, geschlossene Apparatkammer K vorausgesetzt, von dem einen, in die Rohrpoststation einmündenden Fahrrohr F bezw. von der Gebläseanschlußleitung über diese Kammer K zum zweiten Rohr N, während das im Benutzungsfalle durch Horizontaldrehen des Betriebshebels A eingeleitete Oeffnen des Apparates hierfür die pneumatische Kammerabtrennung von der Betriebsluft bewirkt, und zwar durch Einsetzen eines Brillenschiebers C (s. Fig. 2 und 57) in jene Betriebsluftanschlußleitung bezw. Fahrrohreinführungen. Das zum unbehinderten Weiterfließen des Luftstromes erforderliche Förderluftumleiten wird gleichzeitig in einen Apparatüberbrückungsbogen (Q P) herbeigeführt durch Oeffnen der Absperrklappen im Umführungsgehäuse S (vgl. Fig. 2 und 57). Jenes Schiebereinschalten in die Fahrleitungen erzeugt hierin überdies einen, zeitweise das Einfahrtsabdrängen nachfolgender Rohrpostpatronen bewerkstelligenden Luftpuffer. Von der gleichen Triebwerkachse b, welche zum Betätigen der Schieber- und Umführungsorgane (C und S) dient, wird nach Vollzug vorbezeichneter Arbeitsvorgänge durch Weiterbewegen des Betriebshebels A zunächst der Spannungsausgleich zwischen Förderluft der Apparatkammer und freier Atmosphäre hergestellt. Zu diesem Zweck vereinigt sich das Apparatluftausgleichrohr mit der Ventilkammer, welche infolge Pressung des Vorsprunges a der Steuerscheibe d (vgl. Fig. 811) auf die Achse ß nunmehr geöffnet ist. Hierauf wird das Entriegeln und schließlich das Aufklappen der Apparatkammertüre L im dritten bezw. vierten Arbeitsvorgang der Betriebshebeldrehung bewirkt. (Eingreifen der oberen Steuerscheibe m in den Hebel n der Entriegelungsachse p bezw. Eingreifen der unteren Steuerscheibe d in den Hebel r des Klappenachsengetriebes, vgl. Fig. 2.) Nach dem Dargelegten vollziehen sich vier Arbeitsvorgänge mit einer Betriebshebeldrehung (um rund 90°). Das allenfallsige Einrücken der Apparatweiche läßt beim Münchener Apparat die Förderluftströmung über diese statt über die Apparatkammer leiten, insofern die Weiche nicht wie bei den Spannungsnullpunktestationen (also beim Uebergang der Kompressionsströmung in die Vakuumleitung eines geschlossenen Fahrkreises) durchlöchert angeordnet ist, um hier beim Durchgangsschalten teilweise den Druckluftauspuff zu ermöglichen. Als besondere im Münchener Apparat verkörperte Neuerung ist außer der bereits hervorgehobenen Verwendbarkeit der Universalapparate für den Kreis- und Wendebetrieb, und außerdem vorerwähnten Einbau von Fahrrohrüberbrückungen in die Apparatkammer (in Form drehbarer Hornbogen mit Handbetätigung um die Achse Z; s. Fig. 2) insbesondere das Fahrrohreinmünden von unten anzugeben. Durch letztere Maßnahme kam der bei sonstigen Apparatsystemen zu Störungen häufig Anlaß gegebene Höhenbogen (mit erweitertem Querschnitt über dem Empfänger) in Fortfall. (Ungenügendes Dichten zwischen Patronenmanschette und dem erweiterten Bogen, folglich mitunter Steckenbleiben der Büchsen.) Auf das Anordnen vollautomatischen Patronenauswurfes wurde[534] in München zum Abmindern des Betriebsaufwandes sowie zum Vereinfachen und Verbilligen der Geräte im allgemeinen Abstand genommen (Einsparung von Elektromotoren bei jedem Rohrpostapparate). Die Vornahme eines einzigen Handgriffes zum Herausbefördern der Patrone ist infolge der auf alle Fälle gegebenen Notwendigkeit, daß ein Beamter die ankommende Rohrpostbüchse entgegennimmt, betrieblich vielfach ohne Belang. Die zum Einspannen zeitraubender Umladearbeiten in jenen Zwischenstellen, welche ausnahmlich ihres eigenen Abtransportes, regelmäßig nur als Transitstationen in Frage stehen, verwendeten Weichenkonstruktionen sind Fahrrohrüberbrückungen, welche ausschließlich mit den Rohrpostapparaten und nicht mit den Fahrrohren konstruktiv vereinigt und mittels Handsteuer zu betätigen sind. Vgl. hierüber [1], S. 97, 112 und 246.
Im Münchener Postamt, Bezirk 2 (Hopfenstraße), ist versuchsweise ein Universalapparat für halbautomatischen Betrieb eingebaut; das Hebelbetätigen mit der Hand ist hierbei durch elektrischen Kontaktschluß ersetzt. Es wurde die Hohlachse b (Fig. 1214) mit einem Schneckengetriebe versehen, welches mit einem 1/10-PS.-(110 Volt)-Gleichstrommotor M gekuppelt ist. Dieser treibt mittels Schnurübertragung H1H2 eine Schnecke B2 an, welche im Bügel D2 dreimal gelagert ist. Diese Schnecke B2 bewegt wiederum das Schneckenrad A2, das mit der Hauptachse b des Apparates fest verbunden ist. G1 und G2 sind Kontakte, die von den Schaltstiften E2 resp. F2 betätigt werden, je nachdem der Apparat geschlossen oder geöffnet werden soll. Beim Oeffnen der Apparatkammer wird durch einen an das Gleichstromnetz (110 Volt) angeschalteten zweipoligen Handumschalter (über ein Relais) der Motor M eingeschaltet; es tritt eine Rotation der Achse b ein, und zwar bis der Schaltstift F2 den Kontakt G1 bei P1 unterbricht, alsdann wird das Relais stromlos und schaltet den Motor aus (Kontakt G1 bleibt unterbrochen). Das Apparatschließen geschieht folgendermaßen: Durch Umstellen des Umschalters wird der Motor (über ein zweites Relais) in entgegengesetzte Drehrichtung versetzt. Hierdurch[535] geht Kontakt G1 wieder in Ruhelage zurück; nachdem der Apparat geschlossen ist, wird durch den Schaltstift E2 der Kontakt G2 bei P2 unterbrochen, mithin ist der Motor M ausgeschaltet.
Die Platzbeanspruchung der Münchener Universalapparate (im Grundriß rund 1/2 qm und 1,80 m Höhe) sowie die Gewichtsverhältnisse (ungefähr 150 kg pro Apparat ohne Rohranschlüsse) sind im Vergleich zu den früher in Berlin, Wien, Paris, München u.s.w. benutzten Kanonenapparaten von Crespin-Felbinger, Fortin-Hermann u.s.w. wesentlich geringer (Platzbeanspruchung hierfür rund 1 qm bei 1,50 m Höhe sowie fast 1500 kg Gewicht). Neben Raum- und Gewichtsökonomie war tunlichste Geräuschlosigkeit und Raschheit des Apparatenbetriebes grundsätzliches Erfordernis; die gestellten Bedingungen wurden von der Apparatkonstruktion Münchens bestens erfüllt. Es beträgt die zeitliche Inanspruchnahme zur Büchsenentnahme nach Eintreffen des Ankunftssignales bei den Münchener Rohrpostämtern im Mittel 35 Sek. Die Zeitdauer der Weichenbetätigung ist rund 23 Sek.
Der Gedanke, den Luftverbrauch beim Wendebetrieb mittels einer selbsttätigen Anzeige- und Luftabstellvorrichtung auf das niedrigst erreichbare Maß zu bringen, hat bei der Berliner Stadtrohrpost seit 1913 erfolgreiche Verwirklichung gefunden (Konstruktion von Baurat Karten). Die Geräte unterscheiden sich von den älteren Berliner Apparaten außer durch die genannte Vorrichtung auch hinsichtlich einiger Aenderungen im Bau, die eine leichtere Aufstellung und Bedienung ermöglichen.
Der Berliner Rohrpostapparat mit Luftwechsel (Fig. 16) hat (gemäß S. 184 des Archives für Post und Telegraphie, Berlin 1916) dieselben Hauptbestandteile Empfangskammer mit Tür, Tisch und Fußgestell wie der Apparat mit Absperrhahn (Fig. 17); jener unterscheidet sich von letzterem nur in den zum An- und Abstellen der Treibluft erforderlichen Teilen, die aus dem unter der Tischplatte angebrachten Luftwechselschieber mit Handhebel, aus dem darüber auf der Tischplatte befestigten Abstellzylinder mit der Abstellgabel und aus dem das Abstellen der Treibluft einleitenden Magneten mit Steuerzylinder bestehen. Die Empfangskammer hat einen nach vorn geneigten und zur Dämpfung des Aufschlagens der Büchsen mit Filz belegten Boden; nach dem Oeffnen der Tür kann das Innere der Kammer gut übersehen werden.
Die mit der Vorrichtung für das selbsttätige Abstellen der Arbeitslust verbundene Anzeigeautomatik wird durch Kontakte betätigt, die an der Rückwand der Apparatkammern angebracht sind; sie bestehen aus einer Zunge (aus Stahl), die nach innen in die Bahn des in den Apparat einlaufenden Büchsenzugs hineinragt. Die Zunge ist auf einer Achse befestigt, die luftdicht durch das Gehäuse hindurchgeht und auf dem äußeren freien Ende eine Kontaktscheibe trägt, gegen die sich zwei Kontaktsendern legen. Auf der Achse sitzt außerdem noch ein Sperrad, in das ein Sperrhaken eingreift, so daß sie in jeder Stellung verriegelt werden kann.
Die den Apparat mit Absperrhahn darstellende Fig. 17 läßt erkennen, daß der Handgriff, durch den der unten dicht über dem Fußboden in das Fahrrohr eingeschaltete Absperrhahn mittels Hebels und Gestänges bewegt wird, in Abhängigkeit zu dem Verschlußhaken der Tür gebracht ist. Der Absperrhahn ist mit dem Handgriffe fest verbunden. Bewegt man den Handgriff nach oben, so wird zuerst der Absperrhahn geschlossen und dann öffnet der auf der Fig. 17 deutlich erkennbare Winkelhebel die Kammertür. Auf diese Weise wird beim Empfangen eines Zuges zuerst das Fahrrohr mit dem Absperrhahn geschlossen und darauf die vom Drucke der Treibluft entlastete Tür geöffnet. Gleichzeitig wird der den Kontakt sperrende Haken von dem Sperrad abgehoben, so daß die Kontaktzunge unter dem Einfluß einer Rückziehfeder wieder in den Apparat hineinschnellt und zum Anzeigen eines weiteren Zuges bereitsteht. Bis zum Absenden des Gegenzugs mit Saugluft bleibt die Stellung des Apparates dieselbe. Daher kann an dem Apparat mit Luftwechsel sogleich die Saugluft zur Beförderung des Gegenzugs angestellt werden, sobald die Druckluft abgelassen ist.
An den älteren Berliner Apparaten mit Luftwechsel sind 18 Handgriffe gegen 6 an den neueren, bei den älteren Apparaten mit Absperrhahn sind 17 bezw. 13 Handgriffe gegen 4 an den neueren vorzunehmen. Eine neue, ebenfalls beim Berliner Wendebetriebsnetz ausgeprobte Art der Stadtrohrposterweiterung besteht im Verlegen eines Fahrrohrs neben einem auf einer Strecke A B schon bestehenden und im Anordnen eines neuen Fahrrohrs B C von der äußeren Endstelle B jener Strecke nach dem neuen Amt C (vgl. »Telegraphen- und Fernsprechtechnik« 1916, S. 201). Hierbei geht der Betrieb in einer solchen ohne Luftversorgung durch besondere Luftrohre (an eine Doppellinie) angeschlossenen Fahrleitung in folgender Weise vor sich:
Der Betrieb möge beispielsweise damit beginnen, daß ein Zug mit Druckluft von A nach B und gleichzeitig ein Zug von C nach B mit Saugluft befördert wird. Dabei dient das zweite Fahrrohr zwischen A und B als Vakuumspeiserohr. Die gleichzeitige Benutzung der im zweiten Fahrrohr A B strömenden Saugluft zur Beförderung eines Zuges von B nach A ist nicht ausgeschlossen, wenn beide Rohrstrecken annähernd gleich lang sind und der Apparat bei B des zweiten Rohrs zum Einschleusen von Büchsen während des Strömens der Saugluft eingerichtet ist. Sobald nun der mit Druckluft beförderte Zug in B eingetroffen ist, wird ein nach C bestimmter in B abgesandt. Dabei dient das eine Fahrrohr A B als Druckluftspeiserohr. Auch in ihm kann unter den gleichen Bedingungen gleichzeitig ein Zug von A nach B befördert werden, wie dies beim Saugluftbetrieb erörtert worden ist. Nach Eintreffen des Zuges in C wird die verbrauchte Förderluft bei A, B und C herausgelassen. Um nun den Gegenzug von C nach B befördern zu können, wird in dem zweiten Fahrrohr A B und dann in dem Fahrrohr BC Luftverdünnung hergestellt und das Spiel beginnt von neuem. Die bei dieser Schaltweise erforderlichen Geräte sind sämtlich zum selbsttätigen Abstellen der Arbeitslust eingerichtet. Ueber ihre Konstruktion und Wirkungsweise s. die oben angeführte Zeitschrift.
Hinsichtlich des Fahrgutes sind die hauptsächlichen Maßunterschiede ganz beträchtlich; für die europäischen Stadtrohrposten gelten als häufigste Mittelwerte bei 65 mm Fahrrohrdurchmesser[537] meist Büchsenaußenlängen von 150 bis 250 mm gegen 700 bis 800 mm bei den nordamerikanischen Briefbeutelfahrposten (1 l bezw. 101 mittlerer Nutzinhalt sowie 1/2 bezw. 5 bis 10 kg Büchsenleergewicht). Ungefähr 50 bis 100 g bezw. 610 kg gilt im Mittel als aufnehmbares Nutzgewicht der Patronen, dabei etwa rund 510 Eilbriefe oder 2030 Telegramme bezw. 300 bis 500 gewöhnliche Briefe fassend. Die europäischen Depeschenrohrposten arbeiten durchweg mit zylindrischen Gleitbüchsen, wogegen in Amerika neben diesen noch sogenannte Rollbüchsen (Räderpistons) in Verwendung sind. Diese bestehen aus einem zylindrischen Stahlwagen mit einem prismatischen Gestell; der Patronenwagen ist 0,7 bis 1,2 m lang und hat je nach dem 1530 cm betragenden Rohrdurchmesser ungefähr 10 bis 25 cm inneren Hülsendurchmesser. Die Büchse wiegt je nach der Bauart rund 30 bis 80 kg. An den Enden der Räderbüchse befinden sich je zwei Räder, die in Schienen oder Rillen der Fahrrohre laufen. An den Achsen sind meist flügelförmige Ansätze, wodurch sich die in Bewegung befindlichen Büchsenkörper luftdicht an das Fahrrohr anschließen können. Durch eine seitliche Schiebetür von 250 bis 750 mm Länge ist das Innere des Büchsenkörpers zugänglich.
Hinsichtlich der Kostenverhältnisse sind die Unterschiede zwischen Depeschen- und Briefbeutelrohrposten ganz erheblich; man rechnete 1910 bis 1914 für erstere rund 10000 bis 25000 ℳ., für letztere ungefähr 5000090000 ℳ. Neubaukosten für 1 km Fahrrohr, einschließlich anteiligem apparaten- und maschinentechnischen Zubehörs. Gegenwärtig sind fast die zehnfachen Baukosten zu rechnen. Die Jahreskosten des technischen Betriebes allein (ohne Amortisation und Verzinsung des Anlagekapitals) schwankten von 1910 bis 1914 zwischen 1000 und 2000 ℳ. bezw. zwischen 17000 und 23000 ℳ. auf 1 km Einfachleitung.
Was die heutige Ausbreitung der Stadtrohrposten anbelangt, sei auf die Tabellen S. 537 und 538 verwiesen.
Literatur: [1] Schwaighofer, Rohrpost-Fernanlagen,[538] ein Beitrag zur Nationalökonomie und Technik des Großstadtverkehrs, München 1916. Vom gleichen Verfasser sind größere Abhandlungen über Rohrpostanlagen in folgenden Zeitschriften erschienen: Organ f. d. Fortschritte d. Eisenbahnwesens, Hannover 1916, S. 247, und 1917, S. 10; »Helios«, Leipzig 1916, S. 209, 386 u. 509; 1917, S. 49, 57 u. 65; 1918, S. 361 u. 369; 1919, S. 378 u. 411; Deutsche Straßen- u. Kleinbahnztg., Berlin 1916, S. 98; Bayr. Verkehrsblätter, München 1916, S. 64, und 1918, S. 52; »Recht u. Wirtschaft«, Berlin 1918; S. 190; Zeitschr. f. Architektur u. Ingenieurwesen, Berlin 1916, Heft 5, und 1917, Heft 6; »Technik u. Betrieb«, Südd. Industrieblatt, Stuttgart 1917, S. 292; Glaser, Annalen f. Gewerbe u. Bauwesen, Berlin 1916, S. 133; »Telegraphen- u. Fernsprechtechnik«, Berlin 1916, S. 236; Zeitschr. d. bayr. Revisionsvereins, München 1916, S. 97; Süddeutsche Bauztg., München 1916, S. 3; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Berlin 1916, S. 223; 1919, S. 312; Elektrotechn. Zeitschr., Berlin 1916, S. 317; Zeitschr. f. Post u. Telegraphie, Wien 1916, S. 84; 1918, S. 141; »Neueste Erfindungen und Erfahrungen«, Wien 1916, S. 337; Oesterr. Polytechn. Zeitschr., Wien 1916, S. 13; »Verkehrstechnik«, Berlin-Wien 1919, S. 163. Vgl. ferner die Aufsätze von Kasten im Archiv f. Post u. Telegraphie, Berlin 1916, S. 178, 1918, S. 82, 134 ff., ferner in der Zeitschr. f. komprimierte u. flüssige Gase 1916, S. 18, 53, 122, und in der »Verkehrstechnischen Woche« 1916, S. 433 ff., sowie in der »Telegraphen- u. Fernsprechtechnik«, Berlin 1916, S. 194, 200 ff.; 1917, S. 1; 1918, S. 57; desgl. ebend. 1916, S. 66 u. 74 ff. Aufsätze von Oberingenieur Beckmann, Berlin.
Schwaighofer.
Lueger-1904: Rohrpostanlagen [2] · Rohrpostanlagen [1]
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